Die Videoinstallation von Katarzyna Kozyra - Strafe und Verbrechen, die 2003 zum ersten Mal in New York präsentiert wurde, basiert auf unterschiedlichen Widersprüchen: Zwischen dem, was wir erwarten und dem, was wir tatsächlich bekommen. Zwischen dem, was wir sehen möchten und dem, was wir wahrnehmen können. Zwischen dem, was wir sehen und dem, was wir wissen. Zwischen dem was wir wissen, und dem, was wir lesen. Zwischen dem, was wir lesen und dem, was wir erwarten zu lesen. Schon der Titel „Strafe und Verbrechen" ist ein Spiegelbild des Titels eines anderen Werkes, das immer im Bewusstsein des durchschnittlichen Lesers präsent ist. Es erscheint uns als ein Fehler, als ein Widersinn zu unseren Gewohnheiten und der Logik. Warum zuerst die Strafe und dann das Verbrechen? Und welches Verbrechen? Das Verbrechen erkennt man sofort in den letzen Filmszenen auf der großen Leinwand. Und es ist kein happy end, die Protagonisten brechen nicht in Richtung der untergehenden Sonne auf. Und auch wenn die Sonnenstrahlen die Räume zwischen den Baumzweigen beleuchten, bestrahlen sie auch die an ihnen schwebenden Gestalten der Aufgehängten. Die Strafe sieht und hört man auf der zweiten großen Leinwand. Der Kurzfilm, komponiert wie ein Trailer, zeigt nur starke Akzente, den zersprengten Schuppen, den in die Luft gehenden Wagen, die Explosion, das Feuer, die Patronengürtel der Maschinengewehre und die Flammenwerfer. Die Protagonisten tragen gleiche pin up girl -Masken, Perücken und die Patronengürtel wie Halscolliers. Von Zeit zur Zeit bei verlangsamten Lauf des Filmes nimmt man die Schönheit der zerstörerischen Aktivitäten wahr.
Man kann versuchen den Sinn dieser Taten zu verstehen, indem man die auf fünf Fernsehern laufenden Filme sich ansieht. Jeder Film ist eine zweistündige Aufzeichnung der Tätigkeiten: Detonationen, Explosionen und Schüsse, die in den gezeigten Trailern benutzt wurden. Die Konstruktion (das Aufstellen des Schuppens, Vorbereitung des Autos) führt zu der Destruktion - Zerstörung.
Was ist die Wirklichkeit und was ist der Film? Was ist Dokument, was ist die Phantasie? Welches Geschlecht haben die Protagonisten und wozu tragen sie diese niedlichen Frauenmasken? Das weibliche Grundelement mischt sich mit dem männlichen. Wo ist die Wahrheit, und wo das Falsche? Und ist dieses Feuerwerk eine Mystifikation oder ist es das wirkliche Dynamit?
In ihren Arbeiten bewegt sie sich im Bereich kultureller Tabus und nimmt Bezug auf die körperliche Natur des Menschen, die Stereotypen und Verhaltensweisen im sozialen Kontext. Sie hinterfragt und überwindet sie, in dem sie Kontroversen entfacht und sich (gewöhnlich) selbst der Kritik der empörten Kritiker stellt. Sie zwingt uns zum Überdenken und Überprüfen der festgelegten Wertordnungen durch die Enthüllung der Realität.
Hanna Wröblewska
Übersetzung: Iwona Bigos
www.katarzynakozyra.com.pl
Der Song "What you waiting for?" der amerikanische Popsängerin Gwen Stefani wird zum akustischen Leitmotiv und Hörwurm der Videoarbeit "Cheerleader" aus dem Jahr 2006 von Katarzyna Kozyra, ganz im Stil eines Videoclips des Fernsehsenders MTV. Die Künstlerin nimmt dabei den Gesangspart, der hier aber keinerlei Bezug zum Geschehen des Videos hat, mit ihrer eigenen Stimme neu auf. In höchst irritierenden Bildern geht es, wie bereits in mehreren ihrer Arbeiten vorher, um die Grenzen der Geschlechter, aber auch um deren bisweilen ironisch-groteske Überschreitung. Katarzyna Kozyra selbst taucht als Protagonistin mit Röckchen, roten Haaren, Schminke und Pompoms als Cheerleader gestylt in einer Umkleidekabine voller halbnackter, durchaus ansehnlicher und durchtrainierter Männer auf, welche ihr indessen keinerlei Beachtung schenken. Sie hüpft, tanzt, schwingt ihre Beine, schlägt gar ein Rad, gibt sich richtig Mühe, ohne dass die mit ihrer eigenen Körperkultur beschäftigten Sportler überhaupt ein Fünkchen Interesse zeigen. Erst als sie mit einem so genannten Fett-Suit , wie ihn Schauspieler zur Darstellung besonders korpulenter Menschen tragen, auftaucht, zollen die sportlichen Herren ihr endlich Respekt: Wie auf einem Appellplatz stehen sie gerade in der Reihe und salutieren stramm, während die fettleibige Kozyra auf einem Laufsteg vorüberdefiliert. Dieses wulstige Fett-Kostüm trug Kozyra bereits in ihrer Arbeit „Diva“ und man darf es in diesem Videoclip wie einen Verweis oder ein Zitat ihrer selbst verstehen. Große Anerkennung, ja Jubel und Begeisterung seitens der spärlich bekleideten Herren erntet die Künstlerin hingegen, als sie (wie schon einmal in der in Venedig preisgekrönten Arbeit „Men’s Bathhouse“) nackt, nur mit einem weißen Handtuch auf den Schultern und mit einer ziemlich schief hängenden Penisattrappe erscheint. Jetzt gibt es bei den Männern und Geschlechtsgenossen kein Halten mehr: Sie toben, johlen und freuen sich in übertriebener Weise, als hätten sie gerade die Champions League gewonnen. Zwischendurch – um den Musikclip anscheinend sehr professionell zu gestalten- erscheinen – ganz in Schwarz - die beiden Direktorinnen und die Kuratorin der Zachęta als Background Chor im Stil der 1960ger Jahre und singen immer wieder ihr begleitendes und monotones Tic-Tac-Tic-Tac-Tic-Tac. Besser und ironischer könnte in diesem kurzen Videoclip kein Seitenhieb auf den Kunstbetrieb und seine Rollenaufteilungen ausformuliert werden. Doch ganz besonders geht es Katarzyna Kozyra in diesem sehr sinnlichen und mit doppelbödigem Humor aufgeladenen Streifen um die Grenzen und die Übergänge geschlechtlicher Identität. Indem sie im Alltag völlig „normal“ und eindeutig erscheinende Ausformungen solcher Identitäten geringfügig, bisweilen aber auch ziemlich heftig überdehnt, stellt sie die gesellschaftlich vermittelten Geschlechterrollen und deren Stereotypen zur Diskussion. In der Tat geht es auch um die Möglichkeiten und Grenzen geschlechtlich (sowohl im Sinne von Sex, als auch von Gender) determinierter Identität, um die in einer Kultur immer wieder formulierten an unsere Geschlechtszugehörigkeit gebundenen Erwartungen an uns. Es geht aber auch um die Einforderung der Freiheit diese zu überwinden, um Eros, um Entgrenzungen in verschiedene Richtungen, um die Überwindung der Scham, um den spielerischen und frechen Umgang mit Limitierungen verschiedenster Art. In der Art, wie Kozyra sie unter gekonntem Einsatz der Videotechnik ausformuliert und damit überzeugend mediatisiert, können solche Transgressionen zu wahrer Kunst werden.
Peter Friese